André Rival

Nina Aydt und Hans- Jürgen Heinrichs




Absichtslos - absichtsvoll




Über André Rivals Fotografien der fünf Sinne





Dieses Porträt ist in der Ich-Form geschrieben. das Ich des Textes ist zusammengesetzt aus

unseren drei Ichs. Unsere Einfühlung in die Gedankenwelt-und Vorstellungswelt des Fotografen

André Rival hat zu dieser  Verschmelzung geführt.


Ich liebe Frauen, die sich vor die Linse stellen, ohne etwas aussagen zu wollen.

Mit meiner Fotografie will ich Leben zeigen, nicht die perfekte Illusion. Das Virtuose, die

permanente Überschreitung, ist mein Wagnis, meiner Kreativität zu folgen.

In meinen Bildern versuche ich Ebenen, die in der sogenannten Wirklichkeit

unverbunden nebeneinander liegen, miteinander zu verknüpfen. Es ist mein Wunsch,

ein Phantasie, verbunden mit einem bestimmten Bild, so lange zu vitalisieren, bis sie

stark genug ist, die Realität neu zu schaffen, so weit, bis sie meiner Vorstellung

entspricht. Erst dann gelingt es, den Spielraum zwischen mir und dem fotografierten

Objekt zu öffnen, durchlässig zu machen für Gefühlsregungen, ohne dabei mein

ursprüngliches ziel aus den Augen zu verlieren.

in meinen Bildern konfrontiere ich den Betrachter häufig mit einem von mir vage

verschlüsselten Wunsch, die Realität, so wie sie ist, nicht hinnehmen zu wollen.


bei meinen Porträtaufnahmen geht es mir nicht darum, Menschen bloß stellen zu

wollen,vielmehr reizt es mich, die Fremdheit der Person, die ich fotografiere, zum

Ausdruck zu bringen. Aber nicht jeder kann sich dann auch mit der Aussage

identifizieren.


Ich bin kein Handwerker, ich bin Künstler, Jongleur. Mich interessiert nicht die direktive

Abbildung eines Objektes, mich faszinieren Abstraktion und Verdichtung, Entstehen und

Vergehen, die Verschmelzung von Wirklichkeit und Phantasie.

Mit meiner Fotografie möchte ich eine neue Formensprache entwickeln und mich dabei

vom Kanon der vorhandenen Ästhetik abstoßen.

Ich bin egoistisch auch das Gegenteil: überantworte mich ganz den Menschen, die

ich fotografiere. Die Ablehnung meiner Fotografie trifft mich nie nur als Fotograf,

sondern in meiner ganzen Existenz, in meinen Phantasien, die ich schon in ein

Foto gebe, bevor ich es mache.

Das Foto beinhaltet und überlebt alle Gefühle, alle Ängste und Bedrohungen, die im

Vorfeld der Aufnahme übermächtig waren.

Vielleicht antizipiere ich zu stark das Scheitern, enge damit den Raum ein, vielleicht

möchte ich aber auch gerade die Möglichkeit des Scheiterns mit in das Bild

hineinnehmen, es aufladen mit größter Energie und zugleich meine persönliche

Aufladung herausnehmen und damit den Raum für den Betrachter ganz weit machen.


Ich habe die Fotoserie, an der ich jetzt zehn Jahre gearbeitet habe, " Nutzlose Bilder "

genannt, Warum? Ich wollte mich abwenden von einer Fotografie, die sich vollkommen

vereinnahmen lässt.

Im Idealfall soll die Situation selbst die Bilder machen.

In dem Sinn bin ich kein Angewandter, sondern ein Abgewandter Künstler.

ich stelle mir vor, dass die Fotos absichtslos entstehen und dass sich daraus eine

Magie entwickelt, die den Betrachter unmittelbar ergreifen kann.

Meine Fotos nähern sich, auch wenn sie nur situativ sind, der Malerei an. Ich stelle mir

vor, dass auf diese Weise die Fotos sehr viel mehr Realität, sehr viel mehr sogenannte

Wirklichkeit zeigen können, gerade weil die Haltung des Fotografen erst einmal etwas

von der Welt abgewandt ist.

Vielleicht ist es auch so, dass die Haltung der Absichtslosigkeit den Raum viel weiter

macht und so am Ende mehr auf den Fotos zu sehen ist, als würde man den Blick starr

auf die Realität lenken.

Gerade dadurch, dass ich die Bilder nicht mit den Bedeutungen überfrachte, sie sogar als

nutzlos bezeichne, können die Bilder atmen. Meine Fotos und ihre Gegenstände sind wie

Tiere in freier Wildbahn, gerade nicht wie im Zoo.

Ein wichtiger Begriff für mich ist auch: desire, le désir, Wünsche, Begehren. aber kein

zielgerichtetes, sondern ein frei flutendes, sich verströmendes Begehren. Das soll in den

Bildern sichtbar und fühlbar, auch zu schmecken und zu riechen sein.

ICH WÜNSCHE MIR FOTOS DER FÜNF SINNE.

Für meine Arbeit sind Paradoxien wichtig: nutzlos - nützlich; realitätsfern - realitätsnah;

absichtslos - absichtsvoll; angewandt - abgewandt.

Zur Zeit fasziniert mich die Dynamik einer beschleunigten Entschleunigung.

 

 

2013